Schüler wollen in die Welt hinaus

Lohbrügge (pcs). Zwölf Monate lang ist Nicola Ecke weder Bus noch Bahn gefahren. Während dieser Zeit war die 17 Jährige nicht etwa im Dschungel oder am Nordpol, sondern bei einer Gastfamilie in einem Dorf in Texas. „Öffentliche Verkehrsmittel gab es dort nicht und das Benzin war teuer. Ich bin höchstens mal mit dem Pferd zur nächsten Tankstelle geritten, um zu shoppen", sagt die 17-jährige Schülerin. 

Bei der Auslandsmesse „Being abroad" am Gymnasium Lohbrügge berichtete Nicola Ecke am Infostand des Veranstalters „Youth for understanding" (YFU) von dem bisher aufregendsten Jahr ihres Lebens. Zahlreiche Organisationen vom Sprachreisen-Anbieter bis hin zum gemeinnützigen Verein waren in der Empfangshalle der Schule zu Gast. 

Fast alle Info-Stände sind von Schülern umlagert, die Katalogstapel schmelzen in sich zusammen: Das Interesse am Auslandsaufenthalt ist schon in den unteren Klassen groß „Ich will nach Kanada", sagt die Siebtklässlerin Annabelle Schröder. Über ihre Eltern hat die 13-Jährige bereits einige Kanadier kennengelernt, und trägt nun stolz die Flagge als Sticker am Pulli. Ein Jahr im Ausland traut sie sich erst in einigen Jahren zu: „Jetzt fahre ich erst mal zum Schüleraustausch nach England und schaue, wie ich da in einer Gastfamilie zurechtkomme." 

Durch den zweisprachigen Unterricht am Gymnasium Lohbrügge ist dort laut Messe-Koordinatorin Martina Hoffmann das Interesse am Aufenthalt in anderen Ländern besonders groß. „Derzeit sind neun unserer Schüler für ein ganzes sowie sechs Schüler für ein halbes Jahr im Ausland", sagt Hoffmann. Allerdings sinke leider aufgrund der Verkürzung des Schulzeit von 13 auf zwölf Jahre das Interesse. Marcus Heitz, der ein Jahr in Minnesota (USA) verbrachte, musste aufgrund der neuen Regelung sogar zwei Schulklassen in Deutschland überspringen. Noch nimmt er die Arbeitsbelastung gelassen: „Klar habe ich in manchen Fächern mehr Lücken als die anderen." Allerdings lehre das Auslandsjahr noch viel wichtigere Dinge als Unterrichtsstoff. „Neben der Sprache habe ich vor allen Dingen Toleranz gelernt", sagt Nicola, deren Gastfamilie zu zehnt in einem kleinen Haus lebte, zweimal wöchentlich zur Kirche ging und ohne Krankenversicherung auskommen musste.

Billig ist diese Auslandserfahrung nicht: Über 6000 Euro kostet ein Jahr in den USA, die Preise für Trendziele wie Australien und Neuseeland liegen sogar bei bis zu 9000 Euro. Zahlreiche Veranstalter bieten jedoch einkommensunabhängige Stipendien an. Und auch die Stadt Hamburg fördert Familien mit bis zu 5000 Euro, damit kultureller Austausch kein Privileg für Reiche bleibt.

Bergedorfer Zeitung  vom  13. November 2008

Suchen